13.12.14 Schwäbische Zeitung: Landwirt aus Sulmingen trauert um Wetten dass...

Sulmingen gem Wenn Markus Lanz sich am späten Samstagabend in Nürnberg von den ZDF-Zuschauern verabschiedet und damit die 33-jährige Ära von "Wetten, dass..?" zu Ende geht, dann dürfte es Achim Jehle etwas wehmütig ums Herz werden.


Achim Jehle und seine Kuh Ida: Mit ihr und seinen anderen Kühen wurde der Hobbylandwirt aus Sulmingen vor sieben Jahren Rekord-Wettkönig bei "Wetten, dass...?"

Fast auf den Tag genau sieben Jahre ist es her, als der damals 33-jährige Hobbylandwirt aus dem 750-Seelen-Dörfchen Sulmingen (Kreis Biberach) mit seinen Kühen, die er am Schmatzen erkannte, eine ganze Nation verzückte. Mit 89 Prozent der Zuschauerstimmen wurde er an jenem 8. Dezember 2007 Wettkönig - ein Wert, den kein Wettkandidat vor und nach ihm je erreicht hat.

Sein Lockruf "Moggi!", mit dem er seine Kühe damals während der Wette motivierte, ist längst zu Achim Jehles zweitem Vornamen geworden und wird "Wetten, dass..?" wohl lange überdauern. "Die Show hat mein Leben schon verändert", sagt er heute, "sie hat vor allem mein Selbstbewusstsein gestärkt. Und eigentlich ist es unglaublich, was ich danach alles erlebt habe."

Begonnen hatte alles im Sommer 2006 mit einer Wette zwischen Achim Jehle und seiner Schwester Sonja. Beide sammeln Äpfel auf. Weil sie noch nicht reif genug sind, verfüttern sie sie an die Kühe auf ihrem Bauernhof. "Da hab’ ich gemerkt, dass ich die einzelnen Tiere an ihrem Schmatzen unterscheiden kann", erzählt Achim Jehle. "Dann bewirb dich doch bei ,Wetten, dass..?’", meint die Schwester, "ich wette, die nehmen dich." Achim Jehle hält dagegen: "Die kommen doch nicht ins Kuhdorf Sulmingen, um mit mir, dem oberschwäbischen Bauern, eine Wette fürs Fernsehen zu machen. Außerdem wäre ich viel zu aufgeregt." Trotzdem schreibt er ans ZDF und verliert erst einmal - die Wette gegen seine Schwester. Denn in Mainz haben sie Interesse, sehr großes Interesse sogar.

Eine Anfrage Ende 2006, mit seinen Kühen nach Bremen zu "Wetten, dass..?" zu kommen, lehnt Jehle aus Rücksicht auf seine Tiere zunächst ab. Als das ZDF ihm im Sommer 2007 anbietet, das Ganze in Sulmingen als Außenwette in der Dezember-Sendung zu machen, ist er Feuer und Flamme. Auf einem Bürostuhl lässt er sich in den Wochen danach von seiner Schwester mit verbundenen Augen den Futtergang des Kuhstalls entlangschieben und beginnt, mit seinen Kühen die Wette zu üben. Als die Fachleute vom ZDF im Oktober zum Vorabtermin vorbeikommen, ist jedoch schnell klar: Im Kuhstall wird das nichts. Der ist zu niedrig, da passen die Scheinwerfer und die ganze Technik nicht hinein. Die Fernsehleute stellen den ganzen Bauernhof auf den Kopf und werden schließlich fündig: Eine verwinkelte Ecke im benachbarten Maschinenschuppen scheint ihnen geeignet für die Umsetzung der Wette.

Fortan übt Achim Jehle fast jeden Abend, wenn er von seiner Arbeit als Großhandelskaufmann zurück auf den heimischen Bauernhof kommt. Die Kühe werden dazu immer vom Stall in den Maschinenschuppen geführt, damit sie sich an das Prozedere gewöhnen. Der Vater hat extra eine Halterung für die Tiere gebaut. "Bei Jehles stimmt etwas nicht. Die holen jeden Abend die Kühe aus dem Stall." So denken die nichts ahnenden Nachbarn inzwischen, die das allabendliche Treiben verfolgen, weil Achim Jehle vom ZDF verpflichtet wurde, nichts zu verraten. Beim Bürgermeister der Gemeinde bittet der Sender darum, die Straße zum Jehle-Hof zu sperren. "Warum wollen die um Gottes willen die ganze Straße sperren?", fragt sich Achim Jehle.

Die Antwort darauf erfährt er Anfang Dezember 2007, als vier riesige Trucks und weitere Fahrzeuge der Fernsehleute seinen Hof und die Straße zuparken. Es wird ernst. Die Proben für die Sendung beginnen. Es läuft schlecht. Die Kühe sind irritiert von den Scheinwerfern, Kameraleuten und Technikern. Achim Jehle geht es genauso. Er ist unruhig, nervös und frustriert. In der Generalprobe am Abend vor der Sendung erkennt er die Hälfte seiner Kühe nicht. "Mein größtes Problem war, dass ich auf einmal mit Thomas Gottschalk reden sollte, der in der Halle in Graz saß, von wo aus die Sendung ausgestrahlt wurde", erzählt Achim Jehle. "Dieser Mensch, den ich so bewundere, duzte mich plötzlich und ich konnte nur noch stottern und stammeln."

Am Folgetag, kurz vor der Sendung, versucht sich Achim Jehle zu beruhigen. "Ich saß in der Küche, blickte zur Uhr und stellte mir vor, die Küchenuhr sei Thomas Gottschalk." Er beginnt mit ihr zu reden. "Hallo Thomas! Viele Grüße nach Graz", ruft er in Richtung der Uhr. Kurz darauf schaut ein ZDF-Mann zur Tür herein. "Achim, alles okay?", fragt er ihn. "Ich hatte völlig vergessen, dass die mich schon mit dem Mikrofon verkabelt hatten", erzählt Achim Jehle, "die haben meine ganze Rede mit der Uhr im Übertragungswagen mitgehört und sich wahrscheinlich kaputtgelacht."

Kurz darauf begeistert er ganz Deutschland. In dem heimelig mit Stroh und allerlei landwirtschaftlichen Arbeitsgeräten dekorierten Maschinenschuppen sitzt Achim Jehle und lässt mit verbundenen Augen seine Kühe einen Apfel nach dem anderen schmatzen. Während er mit seinem Ohr ganz dicht an der Kuhschnauze hängt, um das Schmatzen zu hören, kringeln sich die Zuschauer in der Halle in Graz und die Wettpaten Til Schweiger und Nora Tschirner vor Lachen. Achim Jehle hört davon nichts, er ist hoch konzentriert. Jedesmal reckt er den Apfel in die Höhe, bevor er ihn der Kuh mit mit einem lang gezogenen "Moggiiiii!" zu fressen gibt. "Für mich war das ganz normal, weil ich mit meinen Kühen immer so rede", sagt Jehle. Ida, Hilde und Luise - er errät alle seine Kühe richtig.

Als er schließlich mit 89 Prozent der Stimmen Wettkönig wird, ist er platt. "Ich war mir vorher eigentlich sicher, dass Menschen in der Großstadt mit meiner Wette nichts anfangen können", sagt er. Dass der sympathisch-zurückhaltende Hobbylandwirt aus Oberschwaben gerade deutschlandweit allerbeste Werbung für seinen Berufsstand gemacht hat, wird ihm erst am Tag danach bewusst. Während Jehle glaubt, mit der Sendung sei nun auch der Trubel vorbei, klingelt pausenlos das Telefon: Fernsehen, Radiosender, Zeitungen - alle wollen mehr erfahren über den Bauern, der so nett mit seinen Kühen spricht und sie alle beim Namen kennt.

Zwei Tage später sitzt Achim Jehle neben Katarina Witt in der "Johannes B.-Kerner-Show", danach telefoniert er eineinhalb Stunden mit Markus Lanz, der damals noch bei RTL arbeitet. "Wir haben uns wunderbar unterhalten, weil auch er aus einer Bauernfamilie in Südtirol stammt." Es folgen ein Werbespot für einen Milchprodukte-Hersteller, Messeauftritte und jede Menge Fanpost. Sogar in einem Musikvideo spielt er mit und nimmt eine eigene CD auf. Thomas Gottschalk lädt ihn einige Monate später zu einer "Wetten, dass..?"-Sendung ein, wo Achim Jehle ihm endlich zum ersten Mal direkt gegenübersteht. Der Showmaster nimmt sich viel Zeit für seinen schwäbischen Gast. "Er hat sich sehr für mich interessiert und das Gespräch war überhaupt nicht oberflächlich."

Angebote für weitere Fernsehsendungen gehen in der Folge bei ihm in Sulmingen ein. Aber Achim Jehle will sich nicht vereinnahmen lassen. "Ich mache nur das, was mir wirklich Spaß macht und den Leuten gefällt." Zur Witzfigur will er sich nicht abstempeln lassen. So gibt er der RTL-Sendung "Supertalent" und diversen Reality-Showformaten einen Korb.

Mittlerweile ist es ruhiger geworden um Achim Jehle. Die schnelle Popularität hat ihm nicht die Sinne vernebelt. Er arbeitet weiterhin als Großhandelskaufmann und versorgt nach Feierabend seine Kühe auf dem heimischen Hof. Zwei von ihnen, die er damals richtig erraten hat, leben noch. "Die werden bei mir auf immer ihr Gnadenbrot bekommen", sagt er. Ob er seine Wette heute auch noch hinbekommen würde? "Mit ein bisschen Üben bestimmt."

Bei Seniorennachmittagen, Landfrauentreffen oder kleinen Betriebsfeiern in Oberschwaben erzählt er gelegentlich von seinen Erlebnissen. Mit kleinen Videos, Fotos, Musik und Utensilien seiner Wette hat er sich sein eigenes kleines Showformat, den Moggi-Vortrag, zusammengebastelt. "Das läuft gut. Die Menschen interessieren sich noch immer dafür. Ich hab’ schon wieder Termine bis in den nächsten April rein", sagt er. Und wundert sich dabei über sich selbst. "Vor hundert Leute hinzustehen und frei zu reden, das hätte ich mich vor sieben Jahren nie getraut. Das hab’ ich "Wetten, dass..?" zu verdanken." Noch immer erhält er E-Mails und Briefe von Fans. "Unglaublich, dass die auch nach sieben Jahren noch den Kontakt zu mir halten." Und selbst von Menschen, die seinen richtigen Namen nicht kennen, wird er gelegentlich noch auf der Straße angesprochen: "Hey, du bist doch der Moggi!"

Auch das ZDF hat seinen Rekord-Wettkönig nicht vergessen. Zur letzten Sendung von "Wetten, dass..?" ist Achim Jehle nach Nürnberg eingeladen worden. Und sollte Markus Lanz sich dann mit ihm unterhalten wollen, muss Achim Jehle vorher bestimmt nicht mehr mit der Küchenuhr üben.

Redakteur: Gerd Mägerle
Veröffentlicht mit der freundlichen Genehmigung der Schwäbischen Zeitung

 

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